Alles nur Spielkram.

Woran denkt man, wenn man an Gamer/-innen und Games denkt? Welches Bild wirft sich da auf die Leinwand im Kopf? Chips, fleckige Klamotten, Türme aus Cola-Dosen. Stinke Stinke und bloß kein Sonnenlicht. Soweit das Klischee. Doch wie viel davon ist wahr?

In jedem Klischee steckt auch ein wenig Wahrheit. Doch das oben gezeichnete Bild entspricht kaum noch dem Jahr 2020. Twitch, Youtube und diverse andere Plattformen ermöglichen Livestreaming, Interaktion, Wissensaustausch und Entertainment. In der Community wird das Kellerkind-Klischee jedenfalls schon lange entschieden zurückgewiesen. Und das zeigen auch die Zahlen:

Anteil Gamer/-innen in Deutschland

46%

Anzahl Gamerinnen in Deutschland

16,5Mio.

Anzahl Gamer in Deutschland

17,8Mio.

Gaming ist also schon lange keine Nische mehr. Im Gegenteil: Die Hälfte aller Deutschen zockt. Natürlich sind das alles keine E-Sportler. Man kann davon ausgehen, dass der Großteil eher Casual-Gamer sind, also Menschen, die eine kleine Runde auf dem Handy daddeln bis die U-Bahn ankommt. Doch auch in diesen kleinen Episoden sind Games nicht nur reine Bildschirme, auf die man glotzt. Im Vergleich zum Film und Vlogs und Serien und allem, was sonst noch so täglich über unsere Bildschirme flackert, fordern Games immer Interaktion. Nur Hingucken reicht nicht. Und diese Interaktion nimmt immer mehr Anteil in allen möglichen Bereichen, bei denen wir es vielleicht gar nicht vermutet hätten.

Willkommen im Zeitalter der Gamification.

Gami-waaaaaaaas? Man muss ja nicht für alles Anglizismen nutzen, aber Gamification klingt doch besser als „Spielifizierung“. Sicherlich bekommt man eine Idee, was gemeint ist, aber werden wir ein wenig konkreter. Grundsätzlich bedeutet Gamification, dass gewisse Elemente und Prozesse, die für Spiele entwickelt wurden, in anderen Bereichen angewendet werden. Das kann zum Beispiel visualisierter Fortschritt sein, das Erreichen von Zielen und/oder damit einhergehende Belohnungen. Wenn Kunde/in, Nutzer/in, Mitarbeiter/in usw. eine eher dröge PowerPoint durcharbeiten müssen, mag es die Motivation steigern, nach ein paar etwas trockeneren Folien eine bunte Folie mit einer Animation, einer Fortschrittsanzeige und eine Belohnung/Belobigung einzusetzen. So können User beispielsweise mehrere Sticker sammeln, sie nach jedem Abschnitt einkleben und am Ende ein vollständiges Album haben.

Doch es geht nicht nur um einzelne Personen. Diese Funktionen lassen sich auch problemlos auf größere Gruppen ausweiten. In kollaborativer Zusammenarbeit kann jeder mit seinen Stickern ein Bild zusammenstellen, das z.B. ein Rätsel sein kann. Das muss dann gemeinsam gelöst werden – oder man macht einen Wettkampf daraus und erstellt öffentliche Ranglisten, wer mehr Rätsel gelöst hat. Das alles fällt unter den Begriff Gamification. Die Möglichkeiten sind nahezu grenzenlos. Und auch wenn die Gamification oft sogar unbewusst in viele Bereiche eingedrungen ist, bietet die Zukunft mehr und mehr Möglichkeiten, die auch durch Corona immer bedeutender werden.

Durch die Pandemie da draußen sind alle in unseren Gesellschaften gezwungen, neue Wege zu gehen. Das betrifft insbesondere Firmen und Unternehmen, die mit vielen Menschen zusammenarbeiten. Kulturveranstaltungen, Messen und Politik. Der Schritt dies alles ins Internet zu verlegen, ist 2020 mehr als logisch – und dennoch fast erschreckend schlecht umgesetzt, wenn man bedenkt, dass wir 2020 haben und wissen, was eigentlich möglich ist. Es erinnert ein wenig an die ersten Jahre des Internets, als die ersten Myspace-Seiten auftauchten. Jeder macht erstmal etwas und die Ergebnisse sind, nun ja, nicht optimal. Aber die gute Nachricht ist: Es bewegt sich etwas. Und zwar gehörig.

Der Anteil an Online Meetings und virtuellen Treffpunkten schnellt in die Höhe. Virtual Realtiy und Augmented Reality spielen eine zunehmend größerer Rolle. Wenn heute also eine Messe aufgrund von Covid nicht stattfinden kann, wird diese virtuell umgesetzt. Nur ist das Ergebnis oft ernüchternd. Viel zu oft wird diese Messe eins zu eins nachgebaut. Was für eine Verschwendung von Möglichkeiten! Wer sagt denn, dass wir noch Schwerkraft und Messehallen brauchen? Eine Food-Messe auf dem Todesstern aus Star Wars? Kein Problem! Beautyprodukte in den geheimen Kellern unter der Sphinx? Schon fast langweilig! Kühlsysteme vermarkten? Warum nicht im Zentrum einer Sonne? Es wird Zeit, Kreativität nochmal ganz neu zu denken.

Mit zunehmender Gamification eignen sich viele Menschen die Fähigkeiten an, diese Räume zu begehen und zu nutzen. Wer möchte nicht mal im Todesstern umhergehen und sich vom Imperator höchstpersönlich die Vorzüge von Molekularküche erläutern lassen?

Wir stecken also in einer Entwicklung, die es schon länger gibt, gefühlt aber immer im Hintergrund ablief und das auch weiterhin tut. Das heißt aber nicht, dass sie bedeutungslos ist. Im Gegenteil: Sie betrifft fast alle Menschen. Und umso mehr es Anteil an dem Leben und der Arbeit und der Freizeit der Menschen nimmt, umso wohler und natürlich fühlt sich das an. Die Chancen, die sich hier bieten, sind grenzenlos. Nur die Kreativität ist hier das Limit. Ist es nicht das, was wir unseren Kindern erzählen und beibringen? Lernen durch Kreativität und Spielen? Wer sagt, dass das nicht genauso wunderbar für absolut jeden Menschen funktioniert, der kein Kind mehr ist? Eben.

Game on!