Hände, die in ein Notizbuch zeichnen

Künstliche Intelligenz

Die Schönheit der krummen Linien

von Beata

Warum das Echte unser neues Luxusgut wird

Wir leben im Overkill der Perfektion. Die tägliche Konfrontation mit porenfreien Gesichtern, makellosen beige-grauen Wohnungen und perfekten Körpern hat einen deutlichen Sättigungseffekt ausgelöst – wir sind social-media-fatigue geworden. Beautyfilter prägen ganze Generationen, während gleichzeitig eine Gegenbewegung entsteht. „No Filter“-Kampagnen erreichen große Reichweite und positive Resonanz, denn das bewusste Weglassen ist inzwischen etwas Besonderes. Doch ist glatt, hübsch, symmetrisch wirklich das Nonplusultra, oder einfach nur seelenlos?

Immer mehr Menschen beginnen wieder nach Geschichten statt nur nach Oberflächen zu suchen. Denn je günstiger Perfektion geworden ist, desto wertvoller erscheint das Authentische. Nicht ohne Grund hat OpenAI seinen jüngsten Werbefilm komplett analog auf 35 mm gedreht – ein bewusstes Gegenstatement. Filmkorn, Unschärfen, Kratzer: Materialität wird plötzlich zum Luxus. Imperfektion dient hier als emotionaler Anker in einer Welt, die immer glatter wird.

„Made by Humans“ könnte das neue „Bio“ werden. Wie handgefertigte Möbel, Slow Fashion oder Manufaktur-Schokolade steht Imperfektion plötzlich für Wert, für Bewusstsein, für Stil. „KI-frei erstellt“ wäre dann kein Ausdruck von Verweigerung, sondern eine bewusste Qualitätsentscheidung.

Gleichzeitig betreten wir ein Zeitalter, in dem sich die Grenze zwischen Realität und Simulation auflöst. Ein Bild sagt längst nicht mehr als tausend Worte – es wirft vor allem eine Frage auf: Ist das echt oder KI? Deepfakes, KI-generierte Bilder und Stimmenklone verstärken die Sehnsucht nach Dingen, denen wir wieder trauen können. Wie alles Seltene wird auch Echtheit immer wertvoller.

Das Unperfekte ist kein Mangel mehr, sondern eine ästhetische Haltung. Das sehen wir in der Fotografie (Körnung, Unschärfe), in der Mode (Normcore, Ugly Chic) und in der Architektur (sichtbare Patina, roher Beton). Perfektion erzeugt Druck, Vergleich und Selbstzweifel: „Ich bin nicht genug.“ Imperfektion dagegen wirkt entlastend: „So bin ich – und das ist okay.“ Vielleicht bewegen wir uns kollektiv gerade in eine Phase, in der wir wieder mehr Realität wünschen.

Doch gleichzeitig lohnt es sich, KI nicht als Gegner, sondern als Chance zu betrachten: als Werkzeug, das uns mehr Raum für das Menschliche schaffen kann. Eine provokante These: Vielleicht führt uns KI nicht weg vom Menschlichen – sondern zurück zu ihm.

Denn KI kann das Monotone, das Wiederholende, das Organisatorische übernehmen – all das, worauf wir, mal ehrlich, sowieso selten Lust haben. Sie kann uns Zeit schenken: für das Kreative, das Emotionale, das Unvorhersehbare. Für die Ideen, die krummen Linien, die Ecken und Kanten.

Wenn wir KI und Mensch als Synergie statt Konkurrenz betrachten, entsteht ein Zukunftsmodell, in dem die KI Perfektion und Effizienz liefert, und der Mensch Bedeutung, Perspektive und Seele. KI wird bleiben. Und vielleicht hilft sie uns sogar dabei, wieder näher an das zu kommen, was uns wirklich ausmacht: das Echte.

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